Seit 2001 gibt es den vierteljährlichen Geschäftsklima-Index der Vorarlberger Industrie. Diese repräsentative Konjunkturumfrage zeigt das Mittel zwischen derzeitiger Geschäftslage und der erwarteten in sechs Monaten. Für das Ländle ergibt sich damit ein realistischer Wirtschaftsausblick. An dieser aktuellen Umfrage für das 3. Quartal 2024 haben sich 34 Vorarlberger Unternehmen mit zusammen rund 24.000 Beschäftigten beteiligt.
In der jüngsten Konjunkturumfrage zeigt der Index mit -9,40 Punkten neuerlich einen Absturz gegenüber dem letzten Quartal (+0,90) und damit eine weitere Eintrübung der wirtschaftlichen Stimmung im Land. Damit ist der Index nach einem zuletzt zaghaften Anstieg wieder deutlich gefallen und auf dem Niveau von vor zwei Jahren. Zum Vergleich, der historische Höchstwert des Geschäftsklima-Index war bei +52,50.
Wie ist die aktuelle Lage in den Betrieben?
Nur 5 Prozent der Unternehmen beurteilen die aktuelle Geschäftslage als gut oder steigend, knapp 90 Prozent sehen den aktuellen Auftragsbestand als durchschnittlich oder schlecht an. Gleiches gilt für die Auslandsaufträge, die von 91 Prozent als höchstens durchschnittlich oder schlecht eingeschätzt werden. Auch die Einschätzung der aktuellen Ertragslage hat sich im Vergleich zum Vorquartal weiter eingetrübt und wird nun von 49 Prozent der Unternehmen als schlecht oder rückläufig eingeschätzt.
Welche Erwartungen gibt es für die nähere Zukunft?
Die Geschäftslage in sechs Monaten wird von 91 Prozent als unverändert, von 7 Prozent als schlechter und nur von 2 Prozent als besser als heute eingeschätzt. Hinsichtlich der Produktionstätigkeit in drei Monaten hat sich der Saldo verschlechtert (von -2 auf -30). Und ihre Ertragslage in sechs Monaten sehen 93 Prozent so wie zuletzt und 7 Prozent schlechter.
Was bedeutet das für die Beschäftigten?
Die Einschätzung der Beschäftigungslage in drei Monaten hat sich verschlechtert (Saldo von -17 auf -22). Aus der aktuellen Geschäftslage und den Erwartungen für die nächsten Monate sehen 22 Prozent der Befragten in drei Monaten weniger Beschäftigte, 78 Prozent gleich viele.
„Vorarlbergs größter Arbeitgeber ist die stark exportorientierte Industrie. Obwohl sie nach wie vor gut aufgestellt ist, kann sie sich von der internationalen Wirtschaftslage und den immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen im Land nicht abkoppeln“, sagt Simon Kampl, Geschäftsführer der IV-Vorarlberg. „Mittlerweile befindet sich die Industrie in einem weiteren schlechten Jahr, es herrscht Rezession, die Wirtschaft geht weiter zurück. Diese anhaltende Konjunkturschwäche spiegelt sich auch am Arbeitsmarkt wider. Im September verzeichnete das AMS 967 Arbeitslose mehr (+ 10,5 Prozent) als im Vorjahr. Viele Industriebetriebe suchen nach wie vor Fachkräfte, aber die Beschäftigungssituation wird immer schwieriger“, so Simon Kampl.
Wie schaut es in den einzelnen Branchen aus?
Bei den Branchenergebnissen steht das Flaggschiff der Vorarlberger Industrie, die Maschinen- und Metallindustrie, im Mittelpunkt. Acht von zehn sehen die aktuelle Geschäftslage als unverändert an, ebenso neun von zehn den Personalstand in drei Monaten sowie die Geschäftslage und Ertragslage in sechs Monaten. Ertragslage und Auftragsbestand sind derzeit für acht von zehn schlecht, 85 Prozent melden weniger Auslandsaufträge. Niedrigere Verkaufspreise in 3 Monaten erwarten 70 Prozent. Für die Produktionstätigkeit in 3 Monaten verschlechtert sich der Erwartungssaldo dramatisch von zuvor +7 auf -64 Punkte, das ist der stärkste Rückgang in der gesamten Umfrage.
Zumindest etwas Optimismus kommt aus der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, in der 58 Prozent der Befragten in drei Monaten höhere Verkaufspreise erwarten. Aber auch hier gibt es Grund zur Sorge, denn der Saldo aus Geschäftslage und aktuellen Auftragsbeständen ist um jeweils 56 Punkte gesunken.
In der Textilindustrie verbesserte sich der Saldo bei den Auslandsaufträgen von -70 auf -8 und bei der Ertragssituation in 6 Monaten von -49 auf 0. Die aktuelle Ertragssituation schätzen 39 Prozent als schlecht ein und 61 Prozent als gleich wie zuletzt. Die Beschäftigungslage in 3 Monaten sehen 17 Prozent gleich, aber 83 Prozent schlechter!
Herausforderungen gibt es auch in der Elektro- und Elektronikindustrie, wo der Saldo bei den aktuellen Auslandsaufträgen von -8 auf -50 gefallen ist.
Und die Verpackungsindustrie? Der klassische Frühindikator für die Wirtschaft hat keine guten Nachrichten für den Beschäftigtenstand in 3 Monaten. 32 Prozent der Befragten sehen sie unverändert, aber 68 Prozent erwarten weniger Beschäftigte!
Was braucht unsere Industrie?
Für Simon Kampl muss die Politik den aktuellen Geschäftsklimaindex als Auftrag verstehen, endlich die notwendigen Reformen umzusetzen. „Unsere Industrie kommt seit zwei Jahren nicht aus der Rezession heraus, das birgt große Gefahren für den langfristigen Wohlstand Vorarlbergs. Die bisherige Symptombekämpfung reicht längst nicht mehr aus, wir brauchen deshalb eine tiefgreifende Ursachenbekämpfung.” Die Botschaft, dass der Standort dringend neue Impulse braucht, sei mittlerweile auch in der Politik angekommen, so Kampl: “Wir können es uns nicht leisten, so weiterzumachen wie bisher. Das führt mit Sicherheit zu einer Fortsetzung der Stagnation und damit zu einer Verlängerung des wirtschaftlichen Abschwungs. Auch wenn wir uns nicht völlig von der gesamtwirtschaftlichen Lage abkoppeln können, sind viele Probleme hausgemacht. So sind die Lohnstückkosten in Österreich in den letzten fünf Jahren um 35 Prozent gestiegen, in anderen westeuropäischen Ländern nur um 20 Prozent. Grundlegende Standortreformen sind daher notwendig. Das bedeutet ganz konkret weniger Bürokratie, eine Senkung der Lohnnebenkosten, mutige Bekenntnisse in der Raumplanung, eine Stärkung unseres Forschungsstandortes sowie den Ausbau moderner Infrastruktur - und zwar ab sofort“.
Die Industriellenvereinigung Vorarlberg hat dazu einen Handlungskatalog mit 23 konkreten Maßnahmen vorgelegt, die in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können. Kampl: Uns geht es darum, Verbesserungen für das Land zu erreichen. Da hilft es nicht, Luftschlösser zu bauen und unerfüllbare Erwartungen zu wecken. Wir bieten der neuen Landesregierung daher auch unsere Expertise und Zusammenarbeit an.“ Einzige Bedingung: „Vom Reden zum Handeln. Wenn wir aus der aktuellen wirtschaftlichen Misere herauskommen und die Weichen für Wachstum in der Zukunft stellen wollen, muss die Politik den Mut aufbringen, auch schwierige Projekte anzustoßen und notfalls auch gegen Widerstände umzusetzen. Der Zeitpunkt für einen solchen Neustart sei ideal, schließlich sei gerade erst ein Landtag gewählt worden und in Kürze werde eine neue Landesregierung präsentiert. Kampl: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Wir dürfen keine Zeit verlieren und müssen den frischen Wind und Tatendrang zu Beginn dieser neuen Legislaturperiode von Anfang an nutzen, um die Weichen für die Zukunft des Standortes Vorarlberg zu stellen“.