38 Vorarlberger Unternehmen mit über 27.000 Beschäftigten haben sich an der aktuellen Konjunkturumfrage der IV-Vorarlberg und der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer (WKV) im zweiten Quartal 2022 beteiligt.
Der Geschäftsklimaindex der Vorarlberger Industrie – also der Mittelwert der Einschätzung zur aktuellen Geschäftslage und jener in sechs Monaten – hat sich nach der Verschlechterung vom letzten Quartal gegenüber dem vorletzten Quartal nun nochmal deutlich verschlechtert. Er ist mit +14,70 Prozentpunkten so tief wie zuletzt 2012 (mit Ausnahme der außerordentlichen Situation zu Beginn der Corona-Pandemie). Ohneberg dazu: „Auch wenn sich nach dem ersten Schock der Corona-Pandemie eine deutliche Aufwärtsstimmung gezeigt hat, so ist diese nun abrupt beendet. Mit den zahlreichen und gewichtigen Brandherden – von der hohen Inflation, den Rohstoffkosten, der Lieferkettenproblematik, der Energiekrise, dem Krieg in der Ukraine sowie unklarer Einschränkungen durch Covid im Herbst – kommen viele Faktoren zeitgleich auf die Wirtschaft zu, die ein hohes Ausmaß an Unsicherheit schaffen und so den Ausblick auf die kommenden Monate trüben.“
Die aktuelle Geschäftslage wird von 65 Prozent der befragten Unternehmen noch als gut bezeichnet, die Geschäftslage in sechs Monaten wird allerdings nur mehr von 4 Prozent als gut eingeschätzt. Das spiegelt sich auch in der Einschätzung der Ertragslage in sechs Monaten wider: 46 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine schlechtere Ertragslage im kommenden halben Jahr, nur 4 Prozent erwarten eine Verbesserung.
Langfristiger Plan zur Energiesicherheit benötigt
Eine der wesentlichen Faktoren für die Unsicherheit bilde die Energie-Problematik, so Ohneberg: „Seit rund einem Jahr ist der Energiepreis zunehmend gestiegen, Gas kostet mittlerweile am Spotmarkt das 4-Fache im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das setzt gerade energieintensive Unternehmen zunehmend unter Druck. Dazu kommen nun aber Vorbereitungen, die diese Unternehmen treffen müssen, für den Fall, dass sie gar kein oder nur mehr weniger Gas erhalten. Hier müssen für die Betriebe Voraussetzungen für den Umstieg geschaffen werden, wie die finanzielle Unterstützung bei der Umrüstung und entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen, wie die Anpassung der Emissionsgrenzen.“
Weiters braucht es laut Ohneberg in diesem Zusammenhang einen langfristigen Plan: „Dass wir die Abhängigkeiten reduzieren müssen, ist auch aus Industriesicht vollkommen klar. Neben einem kurzfristigen, von der IV geforderten „Masterplan Gas“ zur Reduktion der Abhängigkeit und zur Planung des Worst-Case-Szenarios brauchen wir aber auch einen langfristigen Plan zur Energiesicherheit – ohne bewusst in Kauf genommenen Wohlstandsverlusten und mit einer technologischen Offenheit gegenüber unterschiedlichen Energieträgern."
Schulterschluss für herausfordernden Herbst benötigt
Die sich stark trübende Stimmung in der Vorarlberger Industrie sei eine Verdeutlichung für die reale Gefahr eines wirtschaftlichen Abschwungs und damit spürbaren Wohlstandsverlusten für die Vorarlberger:innen, so Martin Ohneberg: „Die gesamte wirtschaftliche Situation erzeugt zunehmend Druck für die Unternehmen. Die Bundesregierung hat auf vieles davon reagiert, und mit Maßnahmen wie der Abschaffung der Kalten Progression, dem Aussetzen der Ökostrompauschale, dem Teuerungsausgleich und dem Energiegutschein der Teuerung entgegengewirkt. Umso wichtiger ist nun, dass diese Maßnahmen bei der kommenden Herbstlohnrunde auch berücksichtigt werden, um zu einem Abschluss mit Hausverstand zu kommen.“
Denn wenn nicht beide Seiten – also Arbeitnehmer und Arbeitgeber - aufeinander zu kämen, könne das die Wettbewerbsfähigkeit gefährden, so Ohneberg: „Es braucht einen Schulterschluss in dieser einmaligen Situation, indem Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu einer verträglichen Lösung für den Wirtschaftsstandort kommen – ohne Inszenierung und Drohgebärden. Ich hoffe deshalb, dass sich alle der Verantwortung gegenüber des Wirtschaftsstandorts und damit des Wohlstands bewusst sind.“
Die Branchenergebnisse im Detail
„Für Vorarlbergs dominierende Maschinen- und Metallindustrie zeichnet sich für die derzeitige Geschäftslage noch ein gutes Bild, die Erwartungen verschlechtern sich aber stark für die Geschäftslage in sechs Monaten“, so der Geschäftsführer der IV-Vorarlberg, Christian Zoll. Während im letzten Quartal noch 65 Prozent die Produktionstätigkeit mit steigend bewertet haben, tun dies nun nur noch 1 (!) Prozent. 61 Prozent der Befragten sehen eine verschlechternde Geschäftslage in sechs Monaten, 63 Prozent eine verschlechternde Ertragssituation in 6 Monaten.
„Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie hat für die derzeitige Geschäftslage noch einen optimistischen Blick, aber auch hier zeichnet sich ein schlechtes Bild für die Lage in 6 Monaten“, so Zoll weiter. 75 Prozent der Befragten bewerten die derzeitige Geschäftslage, die Auslandsaufträge und den Auftragsbestand als gut. Die Geschäftslage in sechs Monaten bewerten 92 Prozent als gleichbleibend, die Ertragssituation im selben Zeitraum sehen allerdings 67 Prozent der Befragten als schlecht an.
„Ein etwas durchwachseneres Bild zeigt sich in der Textilindustrie. Während die derzeitige Geschäftslage und der Auftragsbestand als durchschnittlich wahrgenommen wird, zeigt sich wenig Optimismus in der Lage in sechs Monaten,“ so Christian Zoll. Von lediglich fünf Prozent wird die aktuelle Geschäftslage als gut beurteilt, von 13 Prozent wird bereits jetzt die Ertragssituation als schlecht gesehen. Bei der Geschäftslage in 6 Monaten sehen 69 Prozent eine gleichbleibende Situation, 31 Prozent eine verschlechternde. Bei der Ertragssituation in 6 Monaten hingegen gehen 29 Prozent von einer Verschlechterung aus.
„In der Elektro- und Elektronikindustrie ist die Stimmungslage aktuell ebenfalls nicht besonders erfreulich“, so Michael Amann, Geschäftsführer der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer Vorarlberg. 65 Prozent sehen die aktuelle Geschäftslage noch als gut und 35 Prozent schon als schlecht, in Summe ist das bereits um 20 Prozentpunkte schlechter als im letzten Quartal. Auch die Verkaufspreise in 3 Monaten sieht man insgesamt um 34 Prozentpunkte schlechter als im Vorquartal und ebenfalls herausfordernd ist die derzeitige Ertragssituation mit -42 Prozentpunkten gegenüber dem letzten Quartal.