Der Geschäftsklimaindex der Vorarlberger Industrie, also der Mittelwert der Einschätzung zur aktuellen Geschäftslage und jener in sechs Monaten, ist nach seinen deutlichen Verschlechterungen in den letzten beiden Quartalen noch einmal massiv gefallen. Mit aktuell -10,40 Prozentpunkten ist er so tief wie zuletzt zu Beginn der Corona-Pandemie und in der Wirtschaftskrise 2008. In der mehr als zwanzigjährigen Geschichte des „Geschäftsklimaindex“ im Rahmen der Konjunkturumfrage ist die Stimmung in der Vorarlberger Industrie somit erst zum dritten Mal auf ein so tiefes Niveau abgesunken (siehe Grafik).
Das liegt vor allem daran, dass die derzeitige Geschäftslage, der Auftragsbestand und die Auslandsaufträge auf dem gedrückten Niveau vom zweiten Quartal verharren, der Ausblick auf die Geschäftslage und die Ertragslage in sechs Monaten aber sehr schlecht eingeschätzt werden. So gehen 48 Prozent der Befragten davon aus, dass sich die Geschäftslage in sechs Monaten verschlechtern wird, 49 Prozent erwarten eine schlechtere Ertragssituation.
Für Christian Zoll, Geschäftsführer der IV-Vorarlberg, zeigt das Ergebnis eindrucksvoll, wie herausfordernd die Lage in der Industrie aktuell ist: „Die momentane Situation rund um die hohe Inflation, die exorbitant gestiegenen Energiepreise und die Lieferketten-Probleme, kombiniert mit einer weiterhin nicht überwundenen Corona-Pandemie hinterlassen Spuren. Unternehmen fahren derzeit nur auf kurze Sicht und die stark exportorientierte Wirtschaft in Vorarlberg kämpft mit Unsicherheiten auf den Weltmärkten. Dieser giftige Cocktail führt zu einem bedenklichen Ergebnis: Die Stimmung in der Industrie ist seit dem Beginn des Geschäftsklimaindexes vor über 20 Jahren erst zum dritten Mal so schlecht wie derzeit.“
Dies wirkt sich auch auf den Beschäftigtenstand aus: 39 Prozent der Befragten gehen von einem fallenden Mitarbeiterstand in drei Monaten aus, 43 Prozent noch von einem gleichbleibenden Stand. Lediglich 18 Prozent rechnen noch mit einer steigenden Mitarbeiterzahl. „Die aktuell sehr angespannte wirtschaftliche Situation mit einer drohenden Industrie-Rezession betrifft Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Diese Herausforderung müssen wir gemeinsam bewältigen, denn die Konsequenzen tragen sonst nicht nur die Unternehmen, sondern alle“, so Zoll mit Blick auf die laufenden Kollektivvertragsverhandlungen.
Großes Risiko für Wettbewerbsfähigkeit
Mit das drängendste Problem für die Industrie seien weiterhin die stark gestiegenen Energiepreise, die direkte Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit haben, so Zoll: „Solange die Energiekosten am Produktionsstandort Österreich bei einem Mehrfachen des nordamerikanischen oder asiatischen Niveaus verharren, haben wir einen gewaltigen Wettbewerbsnachteil. Die von der Gewerkschaft geforderten Lohnerhöhungen weit über der Inflation erhöhen den Druck zusätzlich. Wenn diese Situation so weitergeht, droht schrittweise die Deindustrialisierung Österreichs und Europas.“ Handlungsbedarf sieht Zoll bei den Energiepreisen auf europäischer Ebene: „Alle Maßnahmen in Österreich kaschieren das Problem nur kurzfristig. Ausschließlich auf europäischer Ebene können wir in das Merit-Order-System so eingreifen, dass es sinnvoll ist und eine Entspannung am Energiemarkt bewirkt.“
Trends in den Branchen