IV-Vorarlberg-News

Sommerempfang: Wie wird unsere Energiezukunft? 

Über 350 Gäste aus Industrie, Wirtschaft, Politik, Medien und Gesellschaft folgten der Einladung der Industriellenvereinigung (IV) Vorarlberg und der Jungen Industrie zum traditionellen Sommerempfang in der Otten Gravour in Hohenems.

Wettbewerbsfähigkeit unter Druck: Doppelte Belastung für die heimische Industrie  

„Die Industrie steht an einem Wendepunkt“, eröffnete IV-Geschäftsführer Simon Kampl den Abend. Steigende Lohnstückkosten, zunehmende Bürokratie und nicht zuletzt stark gestiegene Energiepreise belasten den Standort spürbar. Energie ist längst nicht mehr nur eine Frage der Versorgung, sondern ein zentraler Faktor moderner Standortpolitik.  

Die Industrie ist dabei nicht nur bedeutende Energieverbraucherin, sondern in erster Linie Arbeitgeberin, Ausbildungsstätte, Innovationstreiberin und Garantin für Wertschöpfung. Gleichzeitig steht sie zunehmend unter doppeltem Druck: Einerseits steigen ökologische Anforderungen, andererseits sinkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit. „Zwischen ambitionierten Zielvorgaben und wirtschaftlicher Realität wird der Handlungsspielraum immer enger,“ führt IV-Präsident Elmar Hartmann weiter aus. „Die Gefahr einer schleichenden Deindustrialisierung ist keine abstrakte Theorie mehr – sie ist vielerorts bereits Realität,“ so Hartmann.  

Umso dringender braucht es nun eine ehrliche und lösungsorientierte Debatte über die Zukunft des Standorts – und eine Energiepolitik, die nicht gegen, sondern mit der Industrie gestaltet wird. 

 „Bei der Energiezukunft geht es nicht mehr um das ‚Ob‘, sondern um das ‚Wie‘“, so Kampl. „Wie gestalten wir eine Energiezukunft, die Investitionen ermöglicht, Innovationen fördert und den Standort langfristig absichert?“ 

Studie zeigt Herausforderungen, Chancen und Handlungsbedarf  

Vor diesem Hintergrund hat die IV-Vorarlberg gemeinsam mit der illwerke vkw AG die neue Studie „Energiezukunft Vorarlberg: Für eine wettbewerbsfähige Industrie“ initiiert. Die umfassende Analyse wurde in enger Zusammenarbeit mit 22 führenden Vorarlberger Industriebetrieben durchgeführt, die zusammen für mehr als 40 Prozent des industriellen Stromverbrauchs und über 60 Prozent des industriellen Erdgasverbrauchs im Land stehen – ein repräsentativer Querschnitt durch die industrielle Energielandschaft der Region.  

Ziel der Studie war es, die aktuelle Energiesituation in der Industrie systematisch zu erfassen und die Bedarfe, Nutzungsmuster, Potenziale und Herausforderungen aufzuzeigen. Ein zentraler Fokus lag auf der Prognose der Energiebedarfsentwicklung bis 2030 und 2040 sowie auf der Ableitung konkreter Handlungsmaßnahmen, die Politik, Energieversorger und Industrie gemeinsam angehen können.  

Ein weiterer Bestandteil der Studie war ein internationaler Preisvergleich von Energieträgern, der deutlich macht, wie stark sich die Kostenunterschiede zwischen Europa und anderen Industriestandorten und Weltregionen inzwischen auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken.  

Energiezukunft braucht Realitätssinn  

Ein zentrales Ergebnis der Studie: Europa wird auch langfristig mit vergleichsweise hohen Energiepreisen konfrontiert sein – ein struktureller Wettbewerbsnachteil für energieintensive Industriebetriebe. Zwar prognostiziert die Analyse nur einen moderaten Anstieg des Gesamtenergieverbrauchs bis 2040, jedoch zeichnen sich deutliche Strukturveränderungen ab: Vor allem der Strombedarf wird massiv steigen, was den Trend zur zunehmenden Elektrifizierung industrieller Prozesse unterstreicht. 

Gleichzeitig offenbart die Studie besonders große Herausforderungen in jenen Bereichen, in denen industrielle Prozesse auf sehr hohe Temperaturen angewiesen sind – etwa in der Metallverarbeitung, der Lebensmittel-, Textil- und Papierindustrie. In diesen Sektoren dominieren nach wie vor fossile Energieträger wie Erdgas, dessen Substitution technisch wie wirtschaftlich anspruchsvoller ist. Auch wenn der Erdgasverbrauch langfristig deutlich sinken wird, ist dafür ein hoher Investitions- und Innovationsbedarf notwendig. 

„Viele dieser Herausforderungen sind extern bedingt oder technologisch noch ungelöst. Doch manche Probleme sind auch hausgemacht. Deshalb ist es entscheidend, den nationalen Handlungsspielraum entschlossen zu nutzen und mutige Kurskorrekturen vorzunehmen – weg vom Wunschdenken, hin zu realistischen, wirtschaftlich tragfähigen Lösungen“, betonte IV-Präsident Elmar Hartmann. 

Zentrale Forderungen der Industrie 

Trotz aller Herausforderungen zeigt sich die Industrie bereit, aktiver Teil der Lösung zu sein – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen. Dafür braucht es vor allem eines: klare, verlässliche und planungssichere Leitlinien – auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene.  

„Um unabhängiger von volatilen Weltmärkten zu werden, braucht es eine strategische Autonomie Europas und Österreichs“, so IV-Präsident Hartmann. Das bedeutet: Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, wo möglich; breite Diversifikation bei Partnern, Quellen und Energieträgern, wo nötig. Unternehmen brauchen eine gemeinsame und verlässliche europäische Vision der Energiezukunft, die Orientierung gibt und langfristige Planungs- und Investitionssicherheit gewährleistet.  

Da Europa – und insbesondere Österreich – bei den Energiepreisen global gesehen im Nachteil ist, ist es umso wichtiger, innerhalb der EU einheitliche Standards und faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen – statt nationaler Sonderwege und zusätzlicher Belastungen. „Wenn uns die EU Klimaneutralität bis 2050 vorgibt, muss Österreich nicht um zehn Jahre früher vorpreschen und heimische Betriebe zusätzlich unter Druck setzen“, so Hartmann. Es braucht europäische Koordination statt nationalem „Gold-Plating“. 

Zudem fordert die Industrie eine leistungsfähige Energieinfrastruktur als Voraussetzung für den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Transformation industrieller Prozesse sei im Gange, doch viele Lösungen befinden sich noch in Entwicklung. Umso entscheidender ist es, auf Technologieoffenheit zu setzen – statt auf ideologisch motivierte Einschränkungen. Nur so lassen sich Innovation, Versorgungssicherheit und Klimaziele unter einen Hut bringen. 

„Es braucht eine praxisnahe Politik, die sich an den Realitäten industrieller Wertschöpfung orientiert“, forderte Hartmann. Effiziente Behördenprozesse sind dafür unerlässlich: „Es darf nicht sein, dass Unternehmen mutige Investitionen tätigen und selbst Lösungen entwickeln – etwa im Bereich Reststoffverwertung – und letztlich an den eigenen Behörden scheitern.“ 

Die Industrie will Teil der Lösung sein, doch man muss sie auch lassen. Für strategisch relevante Transformationsprojekte braucht es Fast-Track-Verfahren, die zügige Genehmigungen ermöglichen. Behörden müssen vom „Verbieter“ zum „Enabler“ werden. 

Klimaschutz nur mit Industrie machbar  

Die Studie liefert fundierte Daten und schafft damit eine Grundlage für eine ehrliche, realistische und vor allem lösungsorientierte energiepolitische Debatte. Denn es steht außer Frage:  

  • Klimaschutz ist ohne Industrie nicht machbar. 
  • Industrie ist ohne Wettbewerbsfähigkeit nicht überlebensfähig. 

„Vorarlberg bringt viel mit: Innovationskraft, technologisches Know-how und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein,“ so Hartmann. „Was es jetzt braucht, ist eine Politik, die die heimische Industrie unterstützt, statt sie zu behindern – insbesondere dann, wenn Unternehmen Eigeninitiative zeigen und konkrete Lösungen umsetzen wollen.“  

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