IV-Vorarlberg-News

Lorbeeren neu verdienen

Zwischen Jammern auf hohem Niveau und der Notwendigkeit zum Handeln.

Alles gut oder doch alles schlecht?  

Politik ist ein emotionales Geschäft. Je nachdem wo man steht – Regierung oder Opposition – ist eh „alles“ gut oder sowieso „alles“ schlecht. Auch die Medienlogik ge­bietet es, eher die Hand in die Wunde zu le­gen als Beifall zu klatschen. Dass dabei das Gute klein- und das Schlechte großgeredet wird, scheint in der Natur der Sache zu liegen. Eine objektive Wahrheit, die wohl irgendwo in der Mitte liegt, gibt es selten. Der Standort bestimmt den Standpunkt und die jeweiligen Interessen definieren die Position. Die Modefarben unserer Zeit sind entsprechend schwarz oder weiß; des einen Freud ist des anderen Leid.  

Wirtschaftswachstum im Interesse aller  

Auch wir als Industriellenvereinigung können uns dieser Logik nicht entzie­hen. Wir vertreten die Interessen der Industrie und sind überzeugt, so auch im Interesse der Gesellschaft zu handeln. Für uns ist es selbstverständlich, dass Arbeit Wohlstand schafft – und nichts schafft mehr Arbeit und mehr Wohlstand als eine funktionierende Industrie und ein innovativer Wirtschaftsstandort.  

In Wahljahren wie diesen ist es daher unsere Aufgabe, das einzufordern, was das Land unserer Meinung nach braucht. Dabei tappen aber auch wir in die oben beschriebene Falle und konzentrieren uns auf das Schlechte und vernachlässi­gen dafür das Gute.  

Auf hohem Niveau, aber doch mit Handlungsbedarf  

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, wollen wir die Anstrengungen der letzten Jahre anerkennen: So wurde die Kinder­betreuung im Land deutlich ausgebaut. Hier hat sich der beharrliche Einsatz der IV ausgezahlt; außerdem wurde ein Bodenfonds eingerichtet, der den Woh­nungsbau erleichtern und verbilligen soll. Auf Bundesebene wurde nach jahrzehn­telanger Diskussion die kalte Progres­sion abgeschafft und damit eine wichtige Steuerentlastung erreicht. Machen wir uns nichts vor: Wir leben in einer der lebenswertesten Regionen der Welt. Könnte es besser sein? Natürlich. Stehen wir vor der Herausforderung, das, was wir aufgebaut haben, zu erhalten? Sicherlich. Haben wir das Fundament und die Werk­zeuge dafür? Auf jeden Fall.  

Wir jammern also auf hohem Niveau. Aber gerade deshalb haben wir auch so viel zu verlieren. Die wichtigste aller Fragen ist daher, ob wir auch endlich wieder den Mut aufbringen, die notwen­digen, noch größeren, Schritte zu tun, um unseren Standard und damit unseren Standort zu halten. Denn auch wenn sich manches zum Besseren gewendet hat, ist es leider noch nicht genug.  

Fakt ist: Der Standort Österreich verliert seit Jahren kontinuierlich an Wettbe­werbsfähigkeit. Im IMD-Ranking haben wir seit 2020 kontinuierlich Plätze ver­loren; waren wir damals noch auf Platz 16, sind wir mittlerweile auf Platz 26 ab­gerutscht. Das ist Mittelmaß. Kann das unser Anspruch sein?  

Mut zu neuen Wegen  

Damit aus dieser Statistik kein nachhalti­ger Wohlstandsverlust wird, brauchen wir deshalb wieder Mut - und eine Rückkehr jener Tatkraft, die uns immer ausgezeich­net hat. Mut, mehr zu wagen als andere, mehr zu tun als bisher, und vor allem Mut, Visionen umzusetzen, auch wenn sie schwierig zu realisieren sind.  

Dazu gehört der Bau neuer Infrastruktur so­wie Verwaltungs-, Bildungs- und Pensions­reformen. Auch müssen wir den Standort für Fachkräfte wieder attraktiver machen.  

Und vor allem brauchen wir eine umfas­sende Entbürokratisierung. Denn jeder Unternehmer kann aus eigener Erfah­rung berichten, wie dicht der Bürokra­tiedschungel mittlerweile geworden ist.

Nichts davon geht einfach und ohne Wi­derstand. Natürlich ist Demokratie immer auch ein Beliebtheitswettbewerb.  

Aber wahrscheinlich wären viele in der Politik überrascht, wie populär es ist, wenn man sich einfach wieder etwas traut.  

Elmar Hartmann, 
Präsident der IV-Vorarlberg