IV-Vorarlberg-News

Keine Trendumkehr in Sicht: Industrie tritt auf der Stelle – Stabilisierung ohne Dynamik

Aktuelle Geschäftslage bleibt schwach, kein Optimismus in Sicht - Beschäftigtenabbau in der Industrie setzt sich fort

Schon vor 50 Jahren (!) wurde die erste Konjunkturumfrage in Vorarlbergs Industrie durchgeführt – in der heutigen Form gibt es sie seit 2001. Dieser Geschäftsklima-Index der Vorarlberger Industrie beschreibt die Stimmung im bedeutendsten Wirtschaftsbereich im Ländle. Der Mittelwert von aktueller und erwarteter Geschäftslage in 6 Monaten ergibt repräsentative Konjunkturausblicke für ganz Vorarlberg. 33 Unternehmen mit insgesamt rund 24.000 Beschäftigten haben sich an dieser aktuellen Umfrage für das 2. Quartal 2025 beteiligt. 

Aktuell zeigt der Indexstand +2,10 Punkte und damit eine geringfügige Verbesserung gegenüber dem Vorquartal (-3,50 Punkte) sowie etwas deutlicher gegenüber dem Quartal davor (-9,00 Punkte). Aber der Index ist erst kurz ganz knapp im positiven Bereich. Heute steht Vorarlbergs Konjunkturklimaindex auf dem Niveau wie zuletzt vor mehr als drei Jahren. Die Betrachtung des Gesamtindex seit 2001 zeigt eine weiterhin äußerst verhaltene Stimmung.

Wie schaut es aktuell in den Betrieben aus? 

Acht von zehn Betrieben beurteilen ihre Geschäftslage weiterhin als schlecht – keine Besserung gegenüber dem Vorquartal. Zwei Drittel melden unverändert schwache Auftragsbestände. Gleich schlecht wie zuletzt beurteilen 72 Prozent die Auslandsaufträge und 70 Prozent ihre derzeitige Ertragssituation.  

Was sind die Erwartungen für die nähere Zukunft? 

Neun von zehn Befragten sehen die Produktionstätigkeit und die Produktionskapazität in 3 Monaten unverändert. Keiner der Befragten rechnet mit steigenden Verkaufspreisen in 3 Monaten. Die Geschäftslage in einem halben Jahr sehen neun von zehn gleich. Bei der Ertragssituation in einem halben Jahr erwarten nur 12 Prozent eine Verbesserung, 51 Prozent sehen sie gleich schlecht, und 37 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus.  

Was bedeutet das für die Beschäftigten? 

Aus der aktuellen Geschäftslage und den Erwartungen für die nächsten Monate gehen 40 Prozent aller befragten Unternehmen davon aus, dass der Beschäftigtenstand in 3 Monaten gleich sein wird wie heute. 36 Prozent erwarten mehr, 24 Prozent weniger Beschäftigte.

Erfreuliches gibt es dazu aus der Maschinen- und Metallindustrie, die drei Viertel mehr Beschäftigte erwartet. Anders in der Elektro- und Elektronikindustrie: 81 Prozent der Betriebe rechnen hier mit einem Beschäftigtenabbau. 

Wie geht es weiter? 

„Auch wenn die Talsohle allmählich erreicht scheint, bleibt die Erholung weiterhin zögerlich und auch der Preis- und Mengenwettbewerb ist aufgrund der stark gestiegenen Lohnstückkosten weiterhin extrem. Unsere Unternehmen beklagen die schwindende Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, um langfristig konkurrenzfähig bleiben zu können. Vorarlbergs Industrie stagniert auf dem Niveau von vor drei Jahren, und die Aussichten für 2025 bleiben schwach. Angesichts einer Konjunkturprognose in der Höhe von rund +0,2 Prozent (!) ist von einem Aufschwung keine Rede – vielmehr droht nach der Rezession nun eine Phase der Stagnation und das bedeutet in der Wirtschaft bekanntermaßen Rückschritt“, erklärt IV-Präsident Elmar Hartmann. „Dazu schwierige Rahmenbedingungen, von hohen Lohnkosten über den Fachkräftemangel bis hin zur überbordenden Bürokratie. Wann folgt endlich politisches Handeln? Der Standort braucht Taten, keine Ankündigungen – und das sofort, auf allen Ebenen. Es wird weiterhin ignoriert, dass Österreich nicht nur Produkte, sondern zunehmend auch Arbeitsplätze exportiert.“ Seit 2019 sind in Österreich netto rund 74.000 Industriejobs verloren gegangen. 

Diese Entwicklung zeigt sich leider auch in Vorarlberg: Laut AMS waren heuer Ende Juni 1.129 Personen mehr arbeitslos als im Vorjahr, ein Anstieg von 12,3 Prozent. „Zwar werden weiterhin qualifizierte Fachkräfte gesucht, doch die – oft aus ideologischen Gründen verleugnete – Deindustrialisierung schreitet spürbar voran. Unser Wirtschaftsstandort muss sich dieser Realität stellen und aktiv werden“, betont IV-Geschäftsführer Simon Kampl

Wie schaut es in den einzelnen Branchen aus? 

Vorarlbergs Industrieflaggschiff, die Maschinen- und Metallindustrie, zeigt den einzigen Lichtblick in dieser gesamten Konjunkturumfrage. Denn nur hier erwarten drei Viertel der Befragten zumindest einen höheren Beschäftigtenstand. Dennoch sehen weiterhin 78 Prozent die Geschäftslage und 76 Prozent die derzeitige Ertragssituation wie bisher – und damit sehr verhalten. Dazu erwarten 60 Prozent fallende Erträge in einem halben Jahr. 93 Prozent beurteilen die Verkaufspreise in 3 Monaten gleich, keiner erwartet sie niedriger, 7 Prozent sehen sie höher. Dies ist in Saldo eine deutliche Verschlechterung von bisher +60 im Vorquartal auf -7 in diesem Quartal. Und die Ertragssituation in einem halben Jahr sehen 60 Prozent der Befragten schlechter als heute.  

Aus der Nahrungs- und Genussmittelindustrie meldet jedes zweite befragte Unternehmen einen guten Auftragsbestand. 40 Prozent erwarten weniger Beschäftigte in 3 Monaten. Und rund neun von zehn Befragten sehen Produktionstätigkeit und Verkaufspreise in 3 Monaten sowie Geschäftslage und Ertragssituation in einem halben Jahr unverändert zu heute.  

In der Textilindustrie geben 89 Prozent aktuell gleichbleibend schlecht Geschäftslage, Auftragsbestand und Auslandsaufträge an. Alle Befragten sehen Produktionstätigkeit, Verkaufspreise und Produktionskapazität in 3 Monaten gleich wie bisher an. 82 Prozent sehen die Ertragssituation in einem halben Jahr schlechter, 18 Prozent sehen sie besser.  

Nichts Erfreuliches aus der Elektro- und Elektronikindustrie. 81 Prozent erwarten weniger Beschäftigte in 3 Monaten. Gleich viele Befragte beurteilen ihre derzeitige Ertragssituation schlecht – der Saldo hat sich von bisher -16 auf jetzt -81 wieder verschlechtert. Fast alle Befragten sehen Verkaufspreise und Produktionskapazität in 3 Monaten gleich wie bisher. „Diese Branche hat besonders unter den KV-Abschlüssen der Jahre 2023/24 zu leiden gehabt und dadurch deutlich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Der KV-Abschluss 2025, mit deutlich mehr Augenmaß, lässt hoffen,“ erläutert Michael Amann, GF der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer. 

Die Verpackungsindustrie ist ein Frühindikator für die gesamte Wirtschaft. Hier sehen alle Befragten die Geschäftslage derzeit und in einem halben Jahr sowie ihre Verkaufspreise in 3 Monaten etwa gleich wie heute bzw. bisher. Die Ertragssituation derzeit und in einem halben Jahr werden leicht negativ eingeschätzt „Allerdings erwarten aufgrund des hohen Kostendrucks 36 Prozent in 3 Monaten weniger Beschäftigte“, erklärt Michael Amann den Hintergrund.  

Was braucht unsere Industrie? 

Die Industrie ist der größte Arbeitgeber, der verlässlichste Steuerzahler und der stärkste Innovationsmotor in unserem Land. Sie schafft Wertschöpfung, bildet Fachkräfte aus, exportiert in die ganze Welt – und trägt maßgeblich zum Wohlstand in Vorarlberg bei. Doch diese Rolle wird ihr nicht immer mit Respekt begegnet – sondern zunehmend mit Vorschriften, Kosten und politischen Zumutungen. Dabei ist klar: Wer Industrie will, muss Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen. Und genau daran fehlt es derzeit an allen Ecken und Enden. 

Ein zentrales Thema ist die Lohnentwicklung. Die Industrie war in den letzten Jahren stark belastet – durch Energiepreise, Lieferengpässe, Investitionszurückhaltung und sinkende Auftragseingänge. Gleichzeitig sind die Lohnstückkosten in Österreich seit 2021 um über 30 Prozent gestiegen – mehr als doppelt so stark wie in Deutschland und mehr als viermal so stark wie in Italien. Es ist wirtschaftlich schlicht nicht verkraftbar, wenn es jetzt zu weiteren überzogenen Gehaltsforderungen kommt. Was es braucht, sind maßvolle, verantwortungsbewusste Abschlüsse, die Arbeitsplätze sichern und Standortverlagerungen verhindern – nicht kollektivpolitische Maximalforderungen, die genau das Gegenteil bewirken. 

Zugleich lässt sich Wettbewerbsfähigkeit auch ohne staatliche Kostenexplosion stärken – etwa durch entschlossenen Bürokratieabbau. Während über Förderprogramme diskutiert wird, kostet uns die Bürokratie jede Woche Zeit, Geld und Innovationskraft. Dabei wäre die Lösung simpel – und für den Staat haushaltsneutral: schlankere Verfahren, digitale Genehmigungsprozesse, einheitliche Standards. Gerade in einer Zeit, in der jeder Euro zählt, ist Bürokratieabbau die billigste Entlastung, die der Staat der Industrie bieten kann. 

Doch Entlastung allein reicht nicht. Unsere Unternehmen brauchen auch neue Märkte. In einem zunehmend protektionistischen globalen Umfeld hat sich Europa zu lange eingeigelt. Das rächt sich jetzt. Dass TTIP nie zustande kam, fällt uns heute mit voller Wucht auf die Füße. Wir brauchen eine neue Offenheit für strategische Handelsabkommen: Das geplante Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten muss kommen – und möglichst bald muss, wenn möglich auch mit den USA über ein Freihandelsabkommen verhandelt werden. Es geht um Absatzmärkte, Rohstoffe, Zukunftstechnologien – und um Jobs in Österreich. 

Industriepolitik ist Standortpolitik. Und Standortpolitik ist Wirtschaftspolitik für die Mitte. Für Familien, die vom Arbeitsplatz in der Produktion leben. Für Gemeinden, deren Schulen, Straßen und Pflegeeinrichtungen aus Industrieerträgen mitfinanziert werden. Und für den Staat, der sich nur dann Gestaltungsspielraum leisten kann, wenn echte Wertschöpfung im Land bleibt. Es geht um das wirtschaftliche Fundament unseres Landes – und darum, ob wir in zehn Jahren noch sagen können: Wir produzieren in Österreich, für Europa und die Welt.

Ergebnisse der Konjunkturumfrage