Im Zeichen der drohenden Deindustrialisierung

Die IV-Vorarlberg warnte beim Neujahrsempfang am 15. Jänner im Zumtobel-Lichtforum vor einer Deindustrialisierung und sieht das Superwahljahr 2024 als richtungsweisend.

IV-Präsident Elmar Hartmann nutzte den Neujahrsempfang der Landesgruppe, um die 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf das heurige Superwahljahr – in dem EU-Parlament, Nationalrat und Vorarlberger Landtag sowie die Arbeiterkammer neu gewählt werden – einzustimmen: „Das Jahr 2024 wird richtungsweisend. Vorarlberg muss sich entscheiden, welchen Pfad man einschlagen will – denn momentan sind wir auf keinem guten Weg, den großen Wohlstand und die enorme Lebensqualität, die wir hier genießen dürfen, halten zu können. Was es braucht, um diese negative Entwicklung zu verhindern, sind verbesserte Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen, klare Bekenntnisse der Politik zu unserem Standort und auch eine stärkere Unterstützung aus der Bevölkerung.“ 

Wenig Bewusstsein über Bedeutung der Industrie 

Inhaltlich stand der Neujahrsempfang ganz im Zeichen der drohenden Deindustrialisierung – einer laut Elmar Hartmann sehr realen Gefahr, die unterschätzt wird und die unsere Lebensqualität erheblich einschränken würde. 

„Mehr als 38 % der Vorarlberger:innen arbeiten in der Industrie, und weit mehr profitieren indirekt von ihr – man denke an all jene, die die Industrie und ihre Mitarbeitenden beliefern oder Dienstleistungen für diese zur Verfügung stellen. Das ist der höchste Wert in ganz Österreich und zeigt die enorme Kraft unserer heimischen Industrie. Zudem stammen über 36 % der Wertschöpfung Vorarlbergs aus der Industrie, folglich also auch ein signifikanter Teil der Steuereinnahmen, die wiederum das Gesundheits- und das Sozialsystem, die Bildung und so vieles mehr am Laufen halten. Die Folgen einer Deindustrialisierung wären nicht absehbar, auf jeden Fall aber fatal. Das hätte auch einen massiven Einfluss auf die soziale Gerechtigkeit, genauso aber auch auf unsere Möglichkeiten, gegen den Klimawandel aktiv zu sein. Klimaschutz lässt sich nämlich nur durchsetzen, wenn die Menschen keine existenziellen Sorgen haben und die Industrie auch maßgebliche Innovationen dafür zustande bringt. Es ist also entscheidend, dass Vorarlberg in seine Wettbewerbsfähigkeit investiert“, sagte Hartmann. 

Zeichen der Deindustrialisierung 

Laut Hartmann sind die ersten Anzeichen der Deindustrialisierung in Vorarlberg jedoch schon erkennbar: „Die Abwanderung von Produktionsstätten wegen hoher Kosten und erschwerter Rahmenbedingungen sowie teilweisen Verhinderns von Betriebserweiterungen, aber auch die wachsende ideologische Abneigung gegenüber der Industrie sind allesamt Indikatoren dafür, dass es in die falsche Richtung geht.“ 

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für diesen Trend ist laut dem IV-Präsidenten das mangelnde Bewusstsein in der Bevölkerung über die enorme Bedeutung der Industrie für unsere Wirtschaft: „Die Industrie ist mit Abstand der bedeutendste Sektor unserer Wirtschaft. Eine Mehrheit der Menschen im Land glaubt aber, Handel, Tourismus oder Landwirtschaft seien allesamt bedeutsamer. Es darf also nicht überraschen, dass diese falsche Einschätzung über die maßgebliche Quelle unseres Wohlstands dazu führt, dass manche Menschen die Deindustrialisierung fordern oder sie zumindest bewusst in Kauf nehmen.“ 

„Willst du auch künftig eine starke Industrie in Vorarlberg?“ 

Um das Bewusstsein über die enorme Wichtigkeit der Industrie für den Standort Vorarlberg zu festigen und auch mit jenen in Diskurs zu treten, die die Industrie aufgrund ideologischer Überlegungen ablehnen, hat die IV-Vorarlberg versucht, mittels eines Frage-Antwort-Spiels etwas Licht ins Dunkel zu bringen. „Willst du auch künftig eine starke Industrie in Vorarlberg?“ lautet die Ursprungsfrage, die die IV in ihrer neuesten Publikation stellt – siehe Rückseite. 

Aus den möglichen Antworten – Ja und Nein – ergeben sich dann wiederum neue Fragen und unterschiedliche Pfade mit verschiedenen Konsequenzen. Hartmann dazu: „Diese Vorgehensweise war auch für uns ein ernsthafter Versuch der Selbstreflexion und wir haben jeder Frage den entsprechenden Kontext mit Zahlen und Daten beigefügt, um jedem die Möglichkeit zu geben, sich die Fragen nicht nur selbst zu stellen, sondern auch selbst ehrlich beantworten zu können. Wir sind überzeugt, dass jeder, der Interesse an einer erfolgreichen Zukunft unseres Standorts hat, zu keinem anderen Schluss kommen kann, als dass es die Industrie braucht und wir für unsere Wettbewerbsfähigkeit eintreten müssen.“ 

Appell an politische Parteien 

Dabei seien einige Themen dringlich, so Hartmann: „Erstens sind die Lohnnebenkosten mit 26,6 % viel zu hoch – hier müssen wir uns deutlich nach unten bewegen, etwa in Richtung Deutschland, das rund drei Prozentpunkte unter uns liegt. Zum Zweiten muss sich unsere Infrastruktur anpassen; als exportorientierter Standort brauchen wir dringend einen Ausbau der Gleisinfrastruktur im Land. Und zum Dritten müssen die Rahmenbedingungen für die Mitarbeitergewinnung verbessert werden – insbesondere für qualifizierte Zuwanderung, die oft mit integrativen und bürokratischen Herausforderungen konfrontiert ist.“ 

Angesichts des Superwahljahrs schloss Hartmann daher mit einem Appell an die Politik: „Stellen Sie sich selbst die Fragen, die wir heute aufgeworfen haben. Richten Sie Ihr Handeln danach aus, die Chancen für unseren Lebensraum zu verbessern; betten Sie das in die Wahlprogramme ein, kommunizieren Sie es auch nach außen und stärken Sie der Industrie in der Bevölkerung den Rücken! Für unsere Kinder und für unseren Lebensraum Vorarlberg.“