Stark getrübte Stimmung in der Vorarlberger Industrie

„Die Vorarlberger Industrie zeigt sich aktuell sehr pessimistisch für die Zukunft. Das liegt vor allem an dem hohen Kostendruck am Markt. Die Rohstoff- und Energiekosten sind weiterhin enorm und können nicht immer weitergegeben werden. Das schmälert die Ertragslage der Vorarlberger Industrie massiv. Andererseits spüren die Unternehmen auch eine Abkühlung der Auftragslage, was die Stimmung zusätzlich eintrübt“, fasste Martin Ohneberg, Präsident der IV Vorarlberg, die momentane Lage in der Vorarlberger Industrie bei einer Pressekonferenz in Lustenau zusammen. 

An der aktuellen Konjunkturumfrage der IV-Vorarlberg und der Sparte Industrie der Wirt­schaftskammer beteiligten sich im zweiten Quartal 2022 38 Vorarlberger Unternehmen mit über 27.000.

Der Geschäftsklimaindex der Vorarlberger Industrie – also der Mittelwert der Einschät­zung zur aktuellen Geschäftslage und jener in sechs Monaten – ist nach der Verschlech­terung vom letzten Quartal gegenüber dem vorletzten Quartal noch einmal deutlich ab­gerutscht. Er ist mit 14,70 Prozentpunkten so tief wie zuletzt 2012 - mit Ausnahme der außerordentlichen Situation zu Beginn der Corona-Pandemie. Ohneberg dazu: „Auch wenn sich nach dem ersten Schock der Co­rona-Pandemie eine deutliche Aufwärts­stimmung gezeigt hat, ist diese nun abrupt beendet. Mit zahlreichen und gewichtigen Brandherden – von der hohen Inflation, den Rohstoffkosten, der Lieferkettenproblematik, der Energiekrise, dem Krieg in der Ukraine sowie unklarer Einschränkungen durch Covid im Herbst – kommen viele Faktoren zeitgleich auf die Wirtschaft zu, die ein hohes Ausmaß an Unsicherheit schaffen und so den Ausblick auf die kommenden Monate trüben.“

Die aktuelle Geschäftslage wird von 65 Pro­zent der befragten Unternehmen noch als gut bezeichnet, die Geschäftslage in sechs Monaten wird allerdings nur mehr von vier Prozent positiv beurteilt. Das spiegelt sich auch in der Einschätzung der Lage in sechs Monaten wider: 46 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine schlechtere Ertragslage im kommenden halben Jahr, nur vier Prozent eine Verbesserung.

Energiesicherheit: Plan gefordert

Eine der wesentlichen Faktoren für die Un­sicherheit bilde die Energie-Problematik, so Ohneberg: „Seit rund einem Jahr steigt der Energiepreis zunehmend. Gas kostet mittlerweile am Spotmarkt das Vielfache im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das setzt gerade energieintensive Unternehmen im­mer stärker unter Druck. Dazu kommen nun Vorbereitungen für den Fall, dass diese Unternehmen gar kein oder nur mehr wenig Gas erhalten. Hier müssen für die Betriebe Voraussetzungen für den Umstieg geschaf­fen werden, etwa eine finanzielle Unter­stützung bei der Umrüstung und entspre­chende rechtliche Rahmenbedingungen wie die Anpassung der Emissionsgrenzen.“

Weiters braucht es laut Ohneberg in diesem Zusammenhang einen langfristigen Plan: „Dass wir die Abhängigkeiten reduzieren müssen, ist auch aus Industriesicht voll­kommen klar. Neben einem kurzfristigen, von der IV geforderten „Masterplan Gas“ zur Reduktion der Abhängigkeit und Pla­nung des Worst-Case-Szenarios brauchen wir aber auch einen langfristigen Plan zur Energiesicherheit – ohne bewusst in Kauf genommenen Wohlstandsverlusten und mit technologischer Offenheit gegenüber unter­schiedlichen Energieträgern.“

Herbst: Schulterschluss benötigt

Die sich stark trübende Stimmung in der Vorarlberger Industrie sei eine Verdeutli­chung für die reale Gefahr eines wirtschaft­lichen Abschwungs und damit spürbaren Wohlstandsverlusten für die Vorarlberger, so Ohneberg: „Die gesamte wirtschaftliche Situation erzeugt zunehmend Druck für die Unternehmen. Die Bundesregierung hat auf vieles davon reagiert und mit Maßnahmen wie der Abschaffung der kalten Progression, dem Aussetzen der Ökostrompauschale, dem Teuerungsausgleich und dem Energie­gutschein der Teuerung entgegengewirkt. Umso wichtiger ist nun, dass diese Maßnah­men bei der kommenden Herbstlohnrunde auch berücksichtigt werden, um zu einem Abschluss mit Hausverstand zu kommen.“

Denn wenn nicht beide Seiten – also Ar­beitnehmer und Arbeitgeber - aufeinander zugehen, könne das die Wettbewerbsfähig­keit gefährden, so Ohneberg: „Es braucht einen Schulterschluss in dieser einmaligen Situation, indem Arbeitnehmer und Arbeit­geber zu einer verträglichen Lösung für den Wirtschaftsstandort kommen – ohne Inszenierung und Drohgebärden. Ich hoffe deshalb, dass sich alle der Verantwortung gegenüber des Wirtschaftsstandorts und damit des Wohlstands bewusst sind.“

Branchenergebnisse im Detail

„Für Vorarlbergs dominierende Maschinen-und Metallindustrie zeichnet sich für die der­zeitige Geschäftslage noch ein gutes Bild, die Erwartungen für die Geschäftslage in sechs Monaten verschlechtern sich aber stark“, so der Geschäftsführer der IV-Vorarlberg, Christian Zoll. Während im letzten Quartal noch 65 Prozent die Produktionstätigkeit mit steigend bewertet haben, tut dies nun nur noch ein Prozent. 61 Prozent der Befragten sehen in sechs Monaten eine schlechtere Geschäftslage, 63 Prozent eine schlechtere Ertragssituation in sechs Monaten.

„Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie hat für die derzeitige Geschäftslage noch einen optimistischen Blick, aber auch hier zeichnet sich ein schlechtes Bild für die Lage in sechs Monaten“, so Zoll weiter. 75 Prozent der Befragten bewerten die der­zeitige Geschäftslage, die Auslandsaufträge und den Auftragsbestand als gut. Die Ge­schäftslage in sechs Monaten bewerten 92 Prozent als gleichbleibend, die Ertragssi­tuation im selben Zeitraum sehen allerdings 67 Prozent der Befragten schlecht.

„Ein etwas durchwachseneres Bild zeigt sich in der Textilindustrie. Während die derzeitige Geschäftslage und der Auftragsbestand als durchschnittlich wahrgenommen wird, zeigt sich wenig Optimismus für die Lage in sechs Monaten,“ so Zoll. Von lediglich fünf Prozent wird die aktuelle Geschäftslage als gut be­urteilt, 13 Prozent sehen bereits jetzt die Er­tragssituation als schlecht. Bei der Geschäfts­lage in sechs Monaten sehen 69 Prozent eine gleichbleibende Situation, 31 Prozent eine verschlechternde. Bei der Ertragssituation in sechs Monaten hingegen gehen 29 Prozent von einer Verschlechterung aus.

„In der Elektro- und Elektronikindustrie ist die Stimmungslage aktuell ebenfalls nicht besonders erfreulich“, so Michael Amann, Geschäftsführer der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer Vorarlberg. 65 Prozent sehen die aktuelle Geschäftslage noch als gut, 35 Prozent hingegen schon als schlecht. In Summe ist das bereits um 20 Prozent­punkte schlechter als im letzten Quartal. Auch die Verkaufspreise in drei Monaten sieht man insgesamt um 34 Prozentpunkte schlechter als im Vorquartal, ebenfalls her­ausfordernd ist die derzeitige Ertragssituati­on mit minus 42 Prozentpunkten gegenüber dem letzten Quartal.

Seit einem Jahr ist der Bereich „Verpa­ckungsindustrie“ Teil der Konjunkturumfra­ge. Dieser zeigt sich im Vergleich am we­nigsten pessimistisch von allen Bereichen dieses repräsentativen Stimmungsbildes der Vorarlberger Industrie. Zwar ist die Einschät­zung der Verkaufspreise in drei Monaten stark gesunken, ebenfalls ist auch die Ein­schätzung der Produktionstätigkeit in drei Monaten schlechter. Aber in den anderen Bereichen gibt es durchwegs neutrale bis leicht optimistische Einschätzungen: Zum Beispiel sehen derzeit fast zwei Drittel die Auslandsaufträge als gut, und mit 25 Pro­zentpunkten erwartet eine Mehrheit der be­fragten Unternehmen Kostensteigerungen über höhere eigene Verkaufspreise zumin­dest teilweise weitergeben zu können.