Konjunkturumfrage

Industrie-Konjunktur: Seit 1 ½ Jahren im Dauerfrost

Der Geschäftsklima-Index der Vorarlberger Industrie bewegt sich seit dem 3. Quartal 2022 fast konstant unter der Null-Linie und das meistens sehr deutlich. 1 ½ Jahre Dauerfrost, das hat es in Vorarlbergs Industrie seit Beginn dieser Konjunkturumfragen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung im Jahre 2001 noch nie gegeben. Der neueste Wert lässt die Kurve von -20,9 auf -18,3 leicht ansteigen. Aufschwung? Die Detailzahlen sagen: Leider nein!

„Der schon so lange anhaltende Wirtschaftswinter bleibt uns leider noch einige Zeit erhalten“, erklärt Markus Comploj, Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Vorarlberg. Im letzten Quartal bewerteten Vorarlbergs Industriebetriebe ihre aktuelle Geschäftslage noch mit einem positiven Saldo von +4. Jetzt ist dieser wichtige Wert auf -27 gekippt. Der Saldo ist die zentrale Kennzahl zu jeder Frage. Wie eine Waage zeigt er die Balance zwischen positiven und negativen Antworten. Konkret: 42% der befragten Unternehmen, das sind die Arbeitgeber für gut 10.500 Menschen, bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als schlecht. Nur 15% bewerten sie als gut. Ergibt den Saldo von -27.  

Geschäftsklima-Index: Talsohle erreicht?  

Wie eingangs erwähnt, die Ergebnisse der aktuellen Umfrage lassen die Kurve des Geschäftsklima-Index tief unten im Minus leicht steigen. Ein Wendepunkt? Dazu Markus Comploj: „Erst Ende 2024 oder Anfang 2025 scheint ein Aufschwung realistisch. Viele der Faktoren, von denen das abhängt, liegen in einer weltweit vernetzten Wirtschaft natürlich nicht in unserer Hand. Auf ein paar wenige haben wir aber Einfluss. Wirtschaftlich frostige Zeiten nutzen unsere Unternehmen, um sich für bessere Zeiten fit zu machen. Strukturen hinterfragen, sich neu aufstellen, an den Innovationen von übermorgen arbeiten.“  

Auftragsstände rückläufig  

Die Aufträge in Summe gehen weiter zurück, von einem Saldo von -22 aus dem Vorquartal auf -29 jetzt. Die Auslandsaufträge verharren bei einem katastrophalen Saldo von -31. Die Ertragssituation hat sich anscheinend etwas verbessert, der Saldo steigt von -40 auf -20 – er bleibt aber deutlich negativ.  

6-Monatsausblick: Nur 3% erwarten Besserung  

Bei der Einschätzung der Geschäftslage in 6 Monaten zeigt der Saldo zwar einen deutlichen Sprung nach oben, von -46 auf -9. Comploj: „Blicken wir auf die konkreten Zahlen dahinter, wird schnell klar, das ist kein Grund zur Freude! Denn 86% unserer Unternehmen gehen davon aus, ihre Lage bleibt gleich, also in den meisten Fällen schlecht. 11 % erwarten noch schwierigere Zeiten und nur 3% bessere.“  

Auch die Ertragslage in 6 Monaten hat es kalt erwischt: 41 % der Betriebe rechnen mit einer Verschlechterung, nur 2 % erwarten bessere Erträge. Das ergibt einen Saldo von -39, noch weitere 5 Punkte tiefer als im letzten Quartal. Für den Industrie-Spartenobmann ist klar: „Wer 1 ½ Jahre im Dauerfrost wirtschaften muss, verliert offensichtlich einiges an Optimismus und wenn das so weitergeht, sind Arbeitsplätze und Standorte in Gefahr!“  

Produktion und Belegschaft nehmen ab  

Was erwarten unsere Industriebetriebe in puncto Beschäftigungsstand, Produktionstätigkeit und Preisen in 3 Monaten? Das AMS und die Menschen in Vorarlberg werden die aktuellen Zahlen nicht freuen: 43% der Unternehmen gehen davon aus, weniger zu produzieren, nur 17 % rechnen mit mehr - ergibt einen Saldo von -25. Die Anzahl an Beschäftigten werden die Unternehmen zurückfahren, der Saldo sinkt hier um 3 Punkte auf -33. „Wir erwarten aktuell keine Kündigungswellen, aber in vielen Fällen auch keine Nachbesetzungen der natürlichen Fluktuation,“ erläutert Comploj.  


Zu den Branchenergebnissen 

Maschinen- und Metallindustrie: Wirtschaftsklima Kältepol

Mit über 11.000 Beschäftigten ist die Maschinen- und Metallindustrie der mit Abstand wichtigste Industriebereich Vorarlbergs. „Durch die Gänge dieser Betriebe weht der Winterwind noch eisiger als in den 4 anderen Bereichen,“ berichtet Michael Amann, Geschäftsführer der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer. 83% der Firmen bewerten ihre aktuelle Lage als schlecht. Wenig Hoffnung geben die Antworten auf die Frage nach der Geschäftslage in 6 Monaten: 93% erwarten Mitte 2024 eine nur durchschnittliche – heißt nicht bessere – Lage.  

Auch in den Betrieben der Lebensmittelindustrie macht sich laut Amann die anhaltende wirtschaftliche Kälte mehr und mehr bemerkbar: „Beim Saldo zur aktuellen Geschäftslage sehen wir einen dramatischen Rückgang von minus 50 Punkten von +61 auf +11. Wenigstens bleibt die Stimmung hier über der Null-Linie.“  

Textilindustrie: Rasante Talfahrt mit Lichtblick

Weit unter der Null-Linie bewegt sich hingegen die Textilindustrie im Ländle. Nicht einer der Betriebe sieht sich derzeit in einer guten Geschäftslage, dafür aber 71% in einer schlechten. „Das ist schon ziemlich drastisch“, kommentiert Christian Zoll, Geschäftsführer der IV-Vorarlberg. Geradezu gekippt sind hier die Aufträge, von +58 im 3. Quartal auf -22 nun. Ein Minus von 80 Punkten. Zoll sieht hier aber auch erfreuliches: „Unsere Textiler, durch wirtschaftliche Achterbahnfahrten in den letzten Jahrzehnten abgehärtet, schauen als einzige Branche mit Zuversicht nach vorne. Das sagt jedenfalls der positive Saldo von 15 bei der Frage nach der erwarteten Geschäftslage in 6 Monaten.“  

Elektro- und Elektronikindustrie: Aufträge durchschnittlich, Beschäftigung rückläufig

„Nur die aktuellen Aufträge aus dem In- und Ausland sehen unsere Betriebe der Elektro- und Elektronikindustrie mit einem Saldo von 0“, sagt der IV-Geschäftsführer: „Alle befragten Unternehmen bewerten ihren Auftragsstand immerhin als durchschnittlich.“ Doch die Antworten auf alle anderen Fragen zeigen einen negativen Saldo. „Besonders groß ist der Rückgang beim Ausblick auf den Beschäftigungsstand in 3 Monaten: Von einem ausbalancierten Saldo von 0 im Vorquartal rutscht dieser wichtige Wert jetzt auf schmerzhafte -33 ab.“  

Verpackungsbetriebe am optimistischsten  

Mit einem deutlich positiven Saldo von immerhin +37 bewertet unsere Vorarlberger Verpackungsindustrie ihre aktuelle Geschäftslage von allen Branchen am optimistischsten. Zoll: „Der langanhaltende Konjunkturwinter drückt die Erwartungshaltung auch in dieser Branche in den Keller.“ Etwas Hoffnung geben die Antworten auf die Frage nach dem Beschäftigungsstand in 3 Monaten. Von -24 stieg dieser wichtige Saldowert auf 0. 

Druck abbauen: Lohnnebenkosten runter  

Vorarlbergs Industrie bedient heute die ganze Erde. Das bedeutet, unsere Industrie steht im Wettbewerb mit Anbietern aus der ganzen Welt! Langfristig funktioniert das nur, wenn Vorarlberg als Standort fit bleibt und das braucht Entlastung. Markus Comploj: „Seit 1 ½ Jahren durchleben wir wirtschaftlichen Dauerfrost. Für unsere Betriebe ist das wie die Last einer immer dicker werdenden Schneedecke am Hallendach. Mitarbeiter halten, trotz geringer Auslastung und weniger Einnahmen. Die Kosten drücken und restrukturieren. Investieren, trotz wegbrechender Erträge. Kostendruck: Hohe Tarifabschlüsse, wie letztes Jahr, steigern diese Last weiter. Irgendwann kommt der Punkt, da beschädigt der zunehmende Druck die Struktur und kurz danach bricht alles zusammen.“  

Comploj weiter: „Vor solchen Strukturschäden müssen wir unsere Industrie-Betriebe schützen und das braucht Entlastung. Als wichtigen ersten Schritt fordern wir deshalb eine deutliche Reduktion der Lohnnebenkosten für Arbeitgeber auf das Niveau unsere deutschen Nachbarn.“ Europaweit ist Österreich bei den Lohnnebenkosten mit 26,6% Anteil an den Arbeitskosten unter den Top 5 der 27 EUR Länder, deutlich über dem Schnitt und vor allem über Deutschland mit nur 23,3 %!  

Beste Kinderbetreuung: Eltern sollen mit rundum gutem Gefühl erwerbstätig sein  

Vorarlbergs Betriebe brauchen engagierte, gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Ebenen, heute und auch in weiterer Zukunft. Dazu Christian Zoll, Geschäftsführer der IV-Vorarlberg: „Wir erkennen die Bemühungen von Land und Gemeinden an, den Ausbau voranzutreiben, allerdings gibt es noch großen Lücke, die geschlossen werden müssen! Nur eine ganzheitlich ausgebaute Kinderbetreuung schafft echte Wahlmöglichkeiten für die Eltern und erhöht ihre Erwerbstätigkeit. Wer auch mit Kindern erwerbstätig sein möchte, soll das tun können, und zwar mit rundum gutem Gefühl!“  

HTL-Absolventen als Erfolgsfaktor für Vorarlbergs Industrie (Zusatzfrage)  

Mit einer Zusatzfrage nutzen WKV und IV ihre Konjunkturumfrage traditionell auch, um die Sicht der heimischen Industrie auf verschiedene Themen besser kennenzulernen. Diesmal lautete die Frage: Wie wichtig sind Absolventinnen und Absolventen der HTLs für den Erfolg Ihres Unternehmens?“ Für eine deutliche Mehrheit der befragten Vorarlberger Industrie-Betriebe, nämlich 85 %, sind diese jungen, technisch gut ausgebildeten Menschen wichtig bis existenziell wichtig

Spartengeschäftsführer Michael Ammann sieht in diesen 85% eine schöne Bestätigung des Kurses der heimischen Industrie: „Wir unterstützen unsere HTLs in Bregenz, Dornbirn und Rankweil seit den 1990er Jahren gemeinsam mit dem Land in jedem Schuljahr partnerschaftlich auch finanziell. Dass ein Land und die Industrie die Bundesschulen HTL mit zusätzlichem Geld ausstatten, gibt es in dieser nachhaltigen Form unseres Wissens nur bei uns in Vorarlberg. Vor diesem klaren Statement unserer Betriebe freut uns die Zusage von Wirtschaftslandesrat Marco Tittler, den Landesanteil weiter aufzustocken, ganz besonders.“

 

Zur Umfragemethode:

Befragt wurden Führungskräfte von 39 Vorarlberger Industrieunternehmen. 24.970 Menschen arbeiten in diesen Betrieben und verdienen hier ihren Lebensunterhalt. 10 Fragen beleuchten für die wirtschaftliche Gesundheit relevante Aspekte: Geschäftslage und den Ertrag aktuell und in 6 Monaten; Erwartung hinsichtlich Produktion, Kapazitäten, Preise und Mitarbeiteranzahl in 3 Monaten. Es gibt nur 3 Antwortmöglichkeiten: gut, durchschnittlich und schlecht bzw. steigend, gleichbleibend und sinkend. Die Antworten sind gewichtet nach der Beschäftigtenzahl der jeweiligen Betriebe. 

Verwandte Themen