Konjunkturumfrage

Geschäftsklima-Alarm in Vorarlbergs Industrie

Stimmung auf niedrigem Niveau wie zuletzt vor 15 Jahren. Zweitschlechtestes Geschäftsklima seit Beginn der Aufzeichnungen.

Der Geschäftsklima-Index der Vorarlberger Industrie ist eine repräsentative, vierteljährliche Konjunkturumfrage, die es seit 2001 gibt. Dieser Index zeigt das Mittel der derzeitigen und der erwarteten Geschäftslage in sechs Monaten und gibt daher einen realistischen Wirtschaftsausblick für das gesamte Bundesland. 37 Vorarlberger Unternehmen mit insgesamt rund 24.000 Beschäftigten haben sich an dieser Umfrage für das 3. Quartal 2023 beteiligt.  

Aktuell -20,90 Punkte in dem Index bedeuten einen Absturz gegenüber dem letzten Quartal (-5,70) und dem Quartal davor (-1,70). Die Befragung zeigt eine so schlechte Stimmung wie zuletzt vor 15 (!) Jahren zu Beginn der Wirtschaftskrise 2008. Insgesamt ist das der zweitschlechteste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen.  

Wie schaut die aktuelle Lage bei den Betrieben aus?

Zwei Drittel der Befragten schätzen die Geschäftslage derzeit als gleichbleibend schlecht wie im Vorquartal ein. Die Einschätzungen beim Auftragsbestand gehen von einer Verschlechterung aus (von zuletzt -13 auf -22), und bei den Auslandsaufträgen fällt die Verschlechterung noch stärker aus (von -4 auf -31).  47 Prozent sehen die aktuelle Ertragssituation als schlechter an als im Vorquartal, was zusätzlich Druck auf die Betriebe ausübt.  

Was sind die Erwartungen für die nähere Zukunft?

Die Geschäftslage in 6 Monaten sehen 47 Prozent unverändert und 49 Prozent schlechter als heute. Bei einer schon im Vorquartal schlecht bewerteten Geschäftslage ist das nochmal eine deutliche Eintrübung. Und wie sieht man die Ertragssituation in 6 Monaten? Nur jeder Achte sieht sie besser, 41 Prozent sehen sie gleich und 47 Prozent schlechter.  

Was bedeutet das für die Beschäftigten?

Aufgrund der aktuellen Geschäftslage und der Erwartung für die nächsten Monate sehen 56 Prozent den Beschäftigtenstand in 3 Monaten gleich wie heute. 37 Prozent hingegen gehen von einer fallenden Beschäftigtenzahl in ihren Betrieben aus. Nur 7 Prozent gehen von einer steigenden Mitarbeiteranzahl aus.

„Vorarlbergs starke Industrie ist sehr exportorientiert und der größte Arbeitgeber in unserem Bundesland“, so Christian Zoll, Geschäftsführer der IV-Vorarlberg: „Aber auch sie kann sich nicht von der internationalen Wirtschaftslage abkoppeln. Alles steuert auf eine Rezession, also einen Rückgang der Wirtschaft, zu. Dieser Abschwung und die Inflation zeigen, dass wir in einem globalen Wettbewerb mit zunehmend schlechten Rahmenbedingungen stehen. Nach langjährigem, gutem Wirtschaften muss durchaus damit gerechnet werden, dass in nächster Zeit auch Mitarbeiter freigestellt werden.“

Das zeigte sich auch aktuell im Abbau von Mitarbeitenden in Vorarlberg. Für September hat das AMS 450 zusätzliche Arbeitslose gegenüber dem Vorjahr gemeldet. „Die Beschäftigungslage ist also aufgrund des Abschwungs und der schwierigen Rahmenbedingungen mit den Kollektivvertragsverhandlungen nicht einfach. Aber es gibt auch viele Industriebetriebe, die nach wie vor qualifiziertes Personal suchen“, so Christian Zoll.  

Wie schaut es in den einzelnen Branchen aus?

Bei den Ergebnissen in den einzelnen Branchen sticht die Maschinen- und Metallindustrie heraus. Im Flaggschiff der Vorarlberger Industrie sehen rund drei Viertel die Geschäftslage derzeit als unverändert an. Aber in allen anderen Bereichen (Auftragsbestand, Auslandsaufträge und Ertragssituation derzeit sowie Produktionstätigkeit, Verkaufspreise, Produktionskapazität, Beschäftigtenstand und Geschäftslage in 3 Monaten, weiters die Ertragssituation in 6 Monaten) erwarten 9 von 10 klar schlechtere Aussichten. Dazu hat sich in fast allen Bereichen der Einschätzungssaldo dramatisch auf bis zu -90 verschlechtert.  

Ein kleiner Lichtblick ist die Nahrungs- und Genussmittelindustrie; rund zwei Drittel sehen die Geschäftslage derzeit als besser an und erwarten hier steigende Verkaufspreise in 3 Monaten. Weiters geht die Hälfte von einer besseren Ertragssituation in 6 Monaten aus. Alle Befragten sehen sowohl ihre Produktionstätigkeit als auch die Produktionskapazität und den Beschäftigtenstand in 3 Monaten unverändert gegenüber heute.

In der Textilindustrie geben zwei Drittel einen besseren derzeitigen Auftragsbestand an, aber zwei Drittel einen Rückgang beim Ertrag in einem halben Jahr. In der Elektro- und Elektronikindustrie sehen die Hälfte der Befragten niedrigere Verkaufspreise in 3 Monaten. Zuletzt die Verpackungsindustrie: In diesem traditionellen Frühindikator für die Wirtschaft sehen nahezu alle ihre Geschäftslage, den Auftragsbestand und die Auslandsaufträge derzeit unverändert, aber mehr als ein Drittel sieht niedrigere Verkaufspreise in 3 Monaten und weniger Ertrag in 6 Monaten.  

Was braucht die Industrie?

„Die Vorarlberger Industrie ist der größte Arbeitgeber und wichtigster Wirtschaftsfaktor in Vorarlberg. Die Stimmung in diesem maßgebenden Wirtschaftsbereich ist allerdings so schlecht wie seit 15 Jahren nicht mehr. Darauf muss man reagieren“, so Christian Zoll. „Die aktuelle Wirtschaftslage der Industrie und ihre Einschätzung für die Zukunft sind ein deutliches Warnsignal. Was zählt, sind vernünftige Ergebnisse in der aktuellen Herbstlohnrunde. Überzogene Forderungen sind fehl am Platz, auch die Arbeitnehmervertreter müssen sich der besonderen Rahmenbedingungen bewusst sein. Ein höherer Abschluss bei uns als in anderen Ländern bedeutet weniger Wettbewerbsfähigkeit und gefährdet unseren Standort, und damit den Wohlstand von Bevölkerung und Betrieben sowie die Sicherheit der Arbeitsplätze“, so Zoll abschließend. 

Verwandte Themen